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Durch Shoah, stalinistische Verfolgung, aber auch mit der mehr oder weniger freiwilligen Aufgabe der Sprache wurde die jiddische Literatur zu einer „stummen“, also wenig übersetzten, zumindest bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts. In Kulbaks Roman Die Selmenianer sind Sprache und Inhalt einerseits geprägt vom traditionellen jüdischen Lebensstil, andererseits von den Anforderungen der postrevolutionären nichtjüdischen Umgebung, bei Sutzkever hingegen finden sich Beweinung des historischen Verlustes, aber auch Enthusiasmus im Hinblick auf eine nationale jüdische Wiedergeburt wie auch Zuversicht bezüglich einer kreativen Zukunft der jiddischen Literatur, die er in Israel verortet. Letzteres gilt auch für das Werk Rivka Basman Ben-Haims.
Ein großer Anteil des jiddischen Wortschatzes stammt aus dem Deutschen. Viele dieser Wörter haben jedoch im Laufe der Jahrhunderte veränderte Bedeutungen angenommen und/oder werden in einem anderen Kontext benutzt. Wenn man es sich einfach macht und solche Wörter eins zu eins ins Deutsche setzt, vielleicht sogar noch Anklänge der jiddischen Grammatik beibehält, entsteht ein Text mit stark jiddelndem Charakter. Bei einer solchen Übersetzung ins Deutsche schrumpft anspruchsvolle Literatur dabei schnell zu einem nostalgischen Jargon, der dem jiddischen Original in keiner Weise gerecht wird. Wenn die Ausgangssprache literarisch anspruchsvoll und eben „korrektes“ Jiddisch ist, dann sollte auch die Übersetzung die hochsprachliche Ebene des Originals wiedergeben. Anhand der Romane Die Selmenianer von Moische Kulbak (1931/1935) und Emil und Karl von Yankev Glatshteyn (1940) soll diese Frage eingehender behandelt werden. Hier wird es auch darum gehen, wie frei die Übersetzung sein muss, um zu einer deutschen Version zu gelangen, die in der Gegenwart Bestand hat.
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Wo sich im Jiddischen zweisilbige Wörter finden, sind es im Deutschen meist drei Silben, weshalb man oft gezwungen ist, bei der Übertragung von Lyrik völlig neue Wege zu gehen. Geheimstadt von Avrom Sutzkever (1948) ist ein, was Metrik und Reim angeht, besonders streng komponiertes Langgedicht, anhand dessen sich diese Problematik besonders gut erläutern lässt. Bei der Lyrik Rivka Basman Ben-Haims stellen Metrik und Reime zwar auch eine Schwierigkeit dar, hier steht jedoch im Vordergrund die Absicht, den Klang und die Sprachebene richtig zu treffen.
Esther Alexander-Ihme wurde in einem DP-Lager in Bayern geboren und wuchs in Frankfurt am Main auf. Sie war freie Mitarbeiterin am Jüdischen Museum Frankfurt, Lehrbeauftragte für Jiddisch am Seminar für Judaistik der J.-W.-Goethe-Universität/Frankfurt sowie an der dortigen Jüdischen Volkshochschule.
Niki Graça wurde in Berlin geboren, studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Schauspiel und lebte mehrere Jahre in Portugal. Als Literaturübersetzerin übersetzt sie aus dem Portugiesischen und Jiddischen, außerdem arbeitet sie als freie Lektorin. Aus dem Jiddischen hat sie (immer zusammen mit Esther Alexander-Ihme) u.a. Romane von Yankev Glatshteyn und Moyshe Kulbak sowie einen Gedichtband von Rivka Basman Ben-Haim übertragen. Für ihre Übertragungen wurde sie mit einem Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds ausgezeichnet.