Scheunenviertel-Theater

Jüdische Schauspieltruppen und jiddische Dramatik in Berlin 1900-1918
Vortrag mit Prof. Dr. Peter Sprengel
Theater & szenische Lesungen
Sonntag, 15. Juni 202515:00-17:00
noch unbekannt
mit halbstündiger Pause
Wir bitten um Anmeldung unter: birnbaum-blitspost@web.de

Die besondere Magie des populären jiddischen Theaters, das um 1900 von wandernden Schauspielern aus Osteuropa in westliche Länder getragen wurde, lag in der Dominanz von Mimik, Körpersprache, Musik und Tanz. Es war gerade der nichtliterarische, sozusagen subkulturelle Charakter dieser Aufführungen, der westliche Intellektuelle wie beispielsweise Kafka daran faszinierte. Bei Auftritten im größten deutschen Bundesstaat und zumal in der streng überwachten Hauptstadt Berlin ergab sich für dieselben Akteure jedoch ein besonderes Problem: Nach den Regeln der preußischen Theaterzensur war jeder öffentlich vorgetragene Text vorher von der Polizei zu genehmigen. Die Theatertruppen mussten sich also entweder für die Illegalität entscheiden oder für die Zwecke der Zensur eine deutsche Fassung des jiddischen Spieltextes einreichen, auch wenn diese nur partiell mit dem Bühnengeschehen übereinstimmte. Aus beiden Varianten ergab sich reichhaltiges Material für die Berliner Polizei, das immerhin die Möglichkeit bot, noch aus dem Abstand von über hundert Jahren ein lange verdrängtes Kapitel der Berliner Theatergeschichte mit vielen persönlichen Details der Vergessenheit zu entreißen.

Prof. a.D. Dr. Peter Sprengel, Studium der Germanistik und Klassischen Philologie (Gräzistik) in Hamburg und Tübingen. Professor Universität Erlangen (1986-1989), Universität Kiel (1989/90) und zuletzt FU Berlin 1990-2016. Zu seinen Schwerpunkten zählten Drama und Theater, insbesondere das Schaffen Gerhart Hauptmanns, sowie die deutsche Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts, insbesondere die frühe Moderne. Neben zahlreichen Aufsätzen und Werken, deren Herausgeber er war, erschienen im Laufe von fast fünf Jahrzehnten die Geschichte der deutschsprachigen Literatur in drei Bänden (Vormärz – Nachmärz. München: C. H. Beck 2020, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart Bd. 8 / Von der Reichsgründung bis zur Jahrhundertwende. München: C.H. Beck 1998 / Von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. München: C.H. Beck 2004) sowie zwei Veröffentlichungen 1995 und 1997 zum jüdischen Theater in Berlin: Scheunenvierteltheater. Jüdische Schauspieltruppen und jiddische Dramatik in Berlin (1900-1918). Berlin: Fannei & Walz 1995; Populäres jüdisches Theater in Berlin von 1877 bis 1933. Berlin: Haude & Spener 1997.

Diese Veranstaltung wird finanziell gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung der Freien und Hansestadt Hamburg.

Ausschnitt aus Jüdischer Fleischerladen und hebräische Buchhandlung 1928/1929, unbekannter Fotograf, sz-photo ID 41190, Quelle: Berlin Transit. Jüdische Migranten aus Osteuropa in den 1920er Jahren, Jüdisches Museum Berlin, Wallstein Verlag 2012, S. 52/53